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Woher und warum bin ich "ich", bzw. woher kommt meine Persönlichkeit/Identität?

Diese Frage, woher ich "ich" bin und warum ich genau jetzt genau hier bin, hat mich schon häufig im Leben beschäftigt und mir viele Stunden des Nachdenkens (nicht Grübelns!) beschert. Warum schaue ich mit genau meinen Augen aus genau diesem Körper in genau diese Perspektive und Zeit in die Welt? Dabei kommen sehr viele unterschiedliche Aspekte und Eindrücke zusammen - und es ist eine der Fragen, auf die es wohl keine direkte Antwort gibt. Zumindest habe ich darauf keine, und ebensowenig möchte ich hier in religiöse Themen abdriften - diese Gebiete überlasse ich anderen. Stattdessen soll dieser Text nur auf Logik, Unlogik, sowie die Möglichkeiten und Grenzen der gedanklichen Vorstellungskraft basieren.

Natürlich ist diese Frage nicht nur auf "mich" als Person bezogen, sondern eher allgemein in dem Sinne gemeint, wie ein jeder von uns zu seiner eigenen Identität, und zu seiner eigenen Position im gesamten zeitlichen und räumlichen Umfang bzw. Zusammenhang, kommt. Wir alle wissen (mehr oder weniger) vieles aus der Vergangenheit, und wir wissen alle, daß es auch eine Zukunft geben wird - wie auch immer diese konkret aussehen mag. Und wir sehen die Gegenwart, in der wir uns befinden - und in der wir oft so etwas wie "das einzig Wahre" (oder auch "die einzige Wahrheit"?) sehen. Oder, mit weniger Pathos und ganz sachlich ausgedrückt, einfach "das einzig Wahrnehmbare".

Was wäre denn aber nun, wenn "ich" nicht heute leben würde, sondern beispielsweise ein Teil eines Ereignisses der Vergangenheit wäre? Oder wie wäre es, wenn "ich" erst in der Zukunft existieren würde?

Oder wie wäre es denn, wenn "ich" nicht hier in Deutschland in einer sicheren, friedlichen Kleinstadt in einem bequemen Raum gemütlich am Computer sitzen könnte, um diesen Text zu schreiben, sondern mich irgendwo in einem armen Land dieser Welt um etwas zu Essen und Trinken bemühen müßte, weil ich sonst nicht überleben könnte? Oder wie wäre es, wenn ich gerade in irgendeinem Palast dieser Welt einen Staat regieren würde und meine größte Sorge wäre, was ich morgen zu einem diplomatischen Termin anziehen müßte?

Allles unmöglich? Nein, das alles wäre durchaus denkbar! Zumindest wäre es ja theoretisch möglich, weil niemand von uns sich selbst ausgesucht hat (bzw. aussuchen konnte), wo er geboren werden würde, welche Sprache er als erstes lernen würde, wen er als Eltern haben würde, und all die weiteren Umstände mehr, die unser Leben eigentlich so eindeutig, und auch sehr selbstverständlich, bestimmen und umreißen. Jedes "Ich" könnte nicht nur jenes sein, das für uns so selbstverständlich ist, sondern auch jedes andere. Eines, das wir verehren - oder auch eines, das wir verachten.

Auch wenn solche Gedanken sicher sowohl freudig, wie auch belastend sein könen, so sind sie für mich vor allem eines: faszinierend. Man kann versuchen, Vergleiche anzustellen, etwa mit der technischen Welt: würde sich unsere Persönlichkeit genauso entwickeln, wenn wir eine Art "Reset durchführen könnten? Hängt die Persönlichkeit an der "Hardware", dem Körper, oder an der "Software"? Was wäre ein Vergleich für die "Software"? Der Begriff "Seele"? Warum ist die Persönlichkeit auf genau die eine "Installation" begrenzt und nicht duplizierbar - oder ist sie es doch, und gibt es irgendwo auf der Welt jemanden, der genau wie "ich" fühlt und denkt? Und/oder gab es jemand derartiges? Und/oder wird es jemanden derartiges geben?

An dieser Stelle kann man nun an den Punkt kommen, an welchem die Religionen ansetzen: ist "meine" Persönlichkeit etwas Dauerhaftes, das nach dem von "mir" wahrgenommenen Leben irgendwo anders wieder auf dieser Welt erscheinen wird? Oder endet die Persönlichkeit mit dem körperlichen Leben?

Wie gesagt, auf diese Fragen habe ich keine Antwort, und die religiösen Erklärungen bzw. Erklärungsversuche überlasse ich anderen. Was mir persönlich wichtig ist, liegt unter anderem in folgenden Punkten:

  • bei allem so häufigen egoistischen Handeln wäre es schön, diese Gedanken im Bewußtsein zu haben, denn derjenige, den unser egoistisches Handeln schädigt, könnte genausogut "ich" selbst sein, ob jetzt oder in der Zukunft
  • ohne besseres Wissen sollten wir die Faszination des "Jetzt", des Moments, sehen und auf alles Leben dieser Welt, nicht nur "das eigene", achtgeben
  • normative Entscheidungen "gegen" etwas (z.B. in der Politik) sollten eigentlich immer unter dem Aspekt gesehen werden, daß "man selbst" der davon Betroffene bzw. Benachteiligte sein könnte, und daß sich daher Dinge wie Leichtfertigkeit verbieten

Es gäbe sicherlich noch vieles weitere zu diesem Thema zu sagen, aber fürs Erste möchte ich es hierbei bewenden lassen. Für jede Art von Gedanken, Anregungen oder auch Kritik bin ich gerne offen!

Kommentare, Anregungen, Ergänzungen?

Michael, 16.12.2013 14:00:
Das hier wollte ich schon sein langem einmal lesen, und jetzt hatte ich endlich die Zeit dafür. Was ich hier sehe, ist eine grundlegende philosophische Frage, die nach dem Ich und der Identität des Seins selbst.

Nicht daß ich jetzt Philosoph wäre, aber ich war eigentlich immer ein Anhänger der Milieutheorie bzw. ich messe dem Milieu eine höhere Bedeutung bei, als der genetischen Vorbestimmung, wobei wir hier uns nichts vormachen dürfen; vorbestimmend sind beide Faktoren, egal wie sie nun gewichtet sind.

Fakt ist, daß ich denke, daß sich ein Mensch durchwegs in eine gänzlich andere Richtung entwickeln kann, sofern man einfach die Prämissen ändert, und zwar so früh in der Entwicklung des Menschen wie nur möglich.

Ich denke auch, daß das menschliche Bewußtsein (der "Geist", nicht die "Seele") kein monolithischer Block, sondern ein Sammelsurium hunderter multipler Persönlichkeitsthreads und damit Gedankenfäden ist, die auf Abruf funktionieren und auch lernen (Reward/Regret). Daraus ergibt sich naturgemäß eine enorme Flexibilität, die sich wohl evolutionsbiologisch bewährt haben dürfte.

Sprich: Ich denke ein und der selbe Mensch kann sowohl Ghandi als auch Hitler sein, wenn man nur die Prämissen extrem genug abändert.

Diese Schlußfolgerung hat natürlich eine enorme und sehr unangenehme Tragweite, wenn sie denn zu 100% stimmt. Allerdings ist das Milieu auch eine extrem komplexe Sammlung aus unfaßbar zahlreichen Wahrnehmungen aller nur erdenklichen Arten und der anschließenden Reflexionen darüber.

Vielleicht reicht oft schon ein winziger Eindruck, ein kurzer Moment, um die Schienen komplett neu zu verlegen. Beispiele gibt es dafür wie Sand am Meer.

Aber ich denke im großen und ganzen stellt der Geist ein Resultat des Milieus und der Gegenreflexion eben dieses Milieus im Geist dar. Letztere natürlich hinterläßt noch einen Unsicherheitsfaktor in der "Einfachheit" meiner Aussage, aber das lasse ich Mal außen vor (eine Unsicherheit an dieser Stelle würde freien Willen und damit "Gott würfelt!" voraussetzen!).

Das bringt mich auch zum letzten - ebenfalls evolutionsbiologisch motivierten, wie ich denke - Punkt, den du ganz unten angesprochen hast, den "breiteren Altruismus" wie ich das Mal nennen würde.

Dieser ist meiner Ansicht nach in den meisten Fällen leider inkompatibel mit der menschlichen Natur. In unserem evolutionären Entwicklungsprozess hat sich die Bevorteilung unser selbst und unserer unmittelbaren Nächsten als Überlebensprinzip manifestiert. Der Rest "kann sterben gehen". Das hat auch SEHR lange sehr gut funktioniert, erst die letzten wenigen 1000 Jahre kam es hier zum Konflikt.

Daraus kann man direkt Dinge wie Freunderlwirtschaft in der Politik oder der Privatwirtschaft ableiten. Das ist nicht der effizienteste oder beste Weg für alle, aber es ist der Weg den Menschen für ihr kleineres, umliegendes soziales Netzwerk vorziehen, eine Hand wäscht die andere.

Um sich darüber hinwegzusetzen braucht es schon einen sehr starken Willen und einen Geist, dem all dies in allen Einzelheiten wohl bewußt ist, und das zu jeder Zeit. Solche Führer und Politiker gibt es wohl, aber ich denke die meisten werden sich damit zufrieden geben, sich und ihren unmittelbaren Freunden ein schönes Leben zu verschaffen.

Leider funktioniert das ja auch immer noch sehr gut und der Rest kann nach wie vor "einfach sterben gehen".

Wenn du eine Yacht voller nackter 20 jähriger Weiber, 2 Residenzen und ein paar Lambos hast, dann fällt es einem sehr schnell sehr leicht, seine altruistischen Charaktereigenschaften veröden zu lassen... für den eigenen Vorteil sind sie ja nicht mehr nötig.

Die menschliche Natur ist im Angesichte der modernen Zivilisation leider eine ziemlich barbarische, hinterlistige, gemeine und tückische kleine Sau, auf die man ein SEHR genaues Auge haben muß, damit sie (auch einem selbst) nicht aus den Ufern läuft.

Ich nenne das den Konflikt zwischen genetischer Evolution (ein sehr langsamer Prozeß) und kultureller Evolution (ein leider sehr schneller Prozeß!), man könnte vielleicht auch "Trieb" und "Geist" sagen...
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